Offener Züchterbrief in Holstein
Vor wenigen Tagen ließ die Rücktrittsmeldung vom Holsteiner Vorstandsmitglied Harm Sievers aufhorchen. In der Stellungnahme zu seinem Rücktritt machte Harm Sievers auch Differenzen hinsichtlich Wertschätzung, Kommunikation und Vertrauen innerhalb des bisherigen Führungs-Quintettes sichtbar. Offenbar hat der Schritt zumindest bei einigen Holsteiner Züchterinnen und Züchtern Gesprächsbedarf hervorgerufen. Mit einem offenen Brief, der von annähernd 40 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern getragen wird, haben sie sich an den eigenen Verband gewandt:
Offener Brief an den Holsteiner Verband e.V.
Verband der Züchter des Holsteiner Pferdes e.V.
Steenbeker Weg 151
24106 Kiel
13.Dezember 2021
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großer Sorge verfolgen wir, die Züchter, Mitglieder, Delegierte und Freunde des Holsteiner Pferdes die aktuelle Entwicklung im Holsteiner Verband e.V. Durch den Rücktritt des Vorstandsmitgliedes Harm Sievers wurde in der Züchterschaft eine große Diskussion ausgelöst. Ferner haben engagierte Mitglieder der Delegiertenversammlung ebenfalls ihren Rücktritt von Ihrem Amt angekündigt.
Die Wahlergebnisse der Verbandsmitglieder in den einzelnen Körbezirken im Rahmen der letzten Vorstandswahlen fanden nur sehr begrenzt Beachtung.
Vorstandsamt-, Körbezirksamt- und Delegiertenamt werden durch Postenanhäufung von 2 aktuellen Vorstandsmitgliedern zeitgleich ausgeführt. Da die Entlastung des Vorstands durch die Delegiertenversammlung erfolgt, wird die Satzung des Holsteiner Verbandes ad absurdum geführt.
Die GOOD GOVERNANCE Verhaltensrichtlinien werden nicht umfassend beachtet. Ehrenamtliche Funktionsträger/innen sowie hauptamtliche Mitarbeiter/innen haben ihre Entscheidungen für den Verband und seine Tochtergesellschaften hiernach unabhängig von sachfremden Überlegungen, d.h. von persönlichen Interessen oder Vorteilen zu treffen. Auffällig viele Fohlenkäufe der Hengsthaltungs GmbH wurden in der Vergangenheit bei Amtsträgern des Holsteiner Verbandes – hier insbesondere - bei Mitgliedern der Delegiertenversammlung getätigt. Hier bedarf es u.E. einer eingehenden Überprüfung des Gesamtsachverhaltes.
Seit 2018 hatte der Holsteiner Verband 3 Präsidenten, 20 Vorstandmitglieder sowie insgesamt 5 Geschäftsführer. Zahlreiche Berichte in der Fachpresse haben dem Ansehen des Holsteiner Verbandes sehr geschadet. Die Zahlen der Verbandsmitglieder, die Zahl der eingetragenen Zuchtstuten und der registrierten Fohlen sind seit Jahren stark rückläufig. Es hat in den letzten 20 Jahren deutliche Veränderungen in der internationalen Pferdezucht gegeben. Andere Stutbücher haben mit Hilfe der Holsteiner Genetik enorme Fortschritte erzielt, der Holsteiner Verband hingegen leider nicht.
Das in der Satzung des Holsteiner Verbandes verankerte Delegiertensystem, auf das die Rechte der Mitgliederversammlung übertragen worden sind, fördert die Möglichkeit der Einflussnahme auf die relativ kleine Zahl der Delegierten und erschwert den Mitgliedern den Einfluss auf die Ausrichtung ihres Verbandes bzw. schließt sie nahezu aus.
Wir fordern alle Gremien des Verbandes unverzüglich auf, allen Mitgliedern des Holsteiner Verbandes durch Direktwahl (Basisdemokratisch) die Möglichkeit einzuräumen am züchterischen und wirtschaftlichen Fortbestand des Holsteiner Verbandes teilzunehmen.
Für den Fortbestand des Holsteiner Verbandes erscheint es uns unerlässlich, dass die Mitglieder geschlossen und zielorientiert die Zukunft ihres Verbandes selbst gestalten können.
Anhang offener Brief / Holsteiner Verband e.V.
Peter Schütte Peter Wieting Siegfried Banka
Inken Reimers Isabell Jahr Karel Krezl
Jan Meves Sander Lübbers Cord Meiners
Tjark Nagel Mirko Conrad Wolfgang Braun
Knut Stuhldreier Thomas Pfefferle Bernd Mohr
Hinerk Köhlbrandt Berndhard Schwörer Detlef Dahlke
Manfred Jessen Katja Beck Katharina Lüders
Helmut Evers Jochen Tietz Felix Einhaus
Fide Dehn Annette Beckmann Magnus Beeken Hermann Weißbach Tjeert Rijkens Michael Krüger
Birgit Becker Björn Biedermann Sven Feil
Wieger de Boer Franz Becker Ulli Barthel Janssen
Anne Batjen Tobias Hanken
sowie weitere Personen, deren Namen bis Redaktionsschluss noch nicht übermittelt werden konnten.
Wir haben zu diesem Brief den derzeitigen Holsteiner Vorstand um eine Stellungnahme ersucht und wollten vor allem wissen, ob man in dem Gremium die im Brief zum Ausdruck gebrachte Besorgnis über den Zustand des Verbandes und seiner Strukturen teile. Ob man sich vorstellen könne das von den Verfassern als Ursache für Probleme hinsichtlich Compliance, Transparenz und interner Gremienkontrolle identifizierte Delegiertensystem zu hinterfragen, um den Mitgliedern zukünftig mehr basisdemokratische Teilhabe zu ermöglichen. Dazu stellte die Redaktion die Frage, wie die einmal mehr in dem vorliegenden Schreiben kritisch gesehene Praxis der Fohlenkäufe durch die Holsteiner Hengsthaltung GmbH bewertet wird. Diese Thematik begleitet die Diskussionen im Holsteiner Verband durchgehend und wenn eine These selbstverständlich nicht automatisch dadurch bestätigt wird, das sie permanent wiederholt wird, stellt sich ja doch die Frage, ob vor dem Hintergrund der anhaltenden Diskussionen und der Unruhe, die erkennbar mit diesem Themenkomplex verbunden sind, es für denkbar gehalten wird, diese Fragestellung einmal von einer unabhängigen Stelle im Rahmen eines Compliance Verfahrens überprüfen zu lassen, um eine belastbare Antwort in dieser Frage zu erhalten.
Dazu erreichte uns heute Morgen folgende Stellungnahme des Vorstandes des Holsteiner Verbandes:
Der Holsteiner Verband kann aus sportlicher und züchterischer Sicht auf ein äußerst erfolgreiches Jahr 2021 zurückblicken. Sowohl in nationalen und internationalen Ranglisten, wie auch wirtschaftlich und vor allem auch im Hinblick auf die Mitglieder- und Bedeckungszahlen konnten im Vergleich zu 2020 Verbesserungen erzielt werden.
Dennoch gibt es aufgrund jüngster Ereignisse internen Diskussionsbedarf, den wir zuerst mit unseren Delegierten und Mitgliedern am 15. Dezember auf der Delegiertenversammlung diskutieren wollen. Hierzu laden wir sie ganz herzlich ein und bedanken uns für die Möglichkeit der Stellungnahme. Wir werden auf der aktuellen Veranstaltung den gesamten Komplex der internen Kommunikation und Mitbestimmung besprechen.
Diese Stellungnahme kann man sicherlich als ein Signal der Gesprächsbereitschaft verstehen und das vor einer umfassenden, öffentlichen Diskussion erst Mitglieder und Delegierte diskutieren sollen ist sicher nachvollziehbar. Wir werden mit Interesse die digitale Delegiertenversammlung begleiten und über die jeweilige Umsetzung der Gesprächsbereitschaft berichten. S.B.