Die deutsche Dressur-Equipe ist Europameister
Was für ein Krimi: Bei den 32. Europameisterschaften entschieden einmal mehr die Schlussreiter über die Vergabe der Teammedaillen. Schlussendlich sicherte sich die deutsche Equipe, bestehend aus Isabell Werth, Ingrid Klimke, Katharina Hemmer und Frederic Wandres, das 26. Team-EM-Gold für Deutschland in der Geschichte.
Solide Runden
„Gold von England zurückzuholen, war von Anfang an der Plan. Alle haben einen tollen Job gemacht“, erläuterte Equipe-Chef Klaus Roeser. Isabell Werth fügte hinzu: „Ende gut, alles gut. Dass es knapp wird, war vorher klar. Wir haben bis zuletzt gefiebert – umso glücklicher sind wir jetzt.“ Das deutsche Team war nicht ganz optimal in die Europameisterschaften gestartet. Nach teuren Fehlern von Ingrid Klimke und Vayron (69,3 Prozent) hatte Championats-Debütantin Katharina Hemmer mit Denoix eine gute Basis für den Finaltag gelegt (75,6 Prozent). Dennoch war für die beiden verbleibenden Teamreiter klar: Viele Patzer durften nicht mehr passieren. Und Frederic Wandres sowie Isabell Werth lieferten ab.
Ersterer punktete sich mit Bluetooth OLD zu 74,7 Prozent. Es war eine solide, aber nicht die beste Runde des Duos. Neben gut abfußenden Passagen, locker fließenden Trabtraversalen und dynamischen Verstärkungen in der Galopptour unterliefen ihnen einige teure Fehler. Beispielsweise präsentierten sich die Zweierwechsel nicht ganz spannungsfrei, in den Einerwechseln schlich sich ein knapp durchgesprungener Wechsel ein, und auch die Galopppirouetten hätten besseren Durchsprung zeigen können. Zudem gelangen die Piaffen nicht im gewohnten Gleichmaß.
„Die Prüfung war so mittel, würde ich sagen. Es waren viele schöne Sachen dabei, gleichzeitig aber auch Dinge, von denen ich weiß, dass wir sie besser können. Alles in allem war das eine gute Nummer – aber da ist noch Luft nach oben“, resümierte der gebürtige Baden-Württemberger. Schmunzelnd fügte er hinzu: „Ich bin glücklich, dass ich mit Bluetooth erneut ein solides Ergebnis für das Team liefern konnte. Letztes Jahr Teamgold in Paris, nun erneut Gold – Frankreich scheint uns zu gefallen. Vielleicht sollte das nächste Championat auch dort stattfinden.“ Nach Wandres blieb es jedenfalls spannend – die Teamentscheidung war nichts für schwache Nerven. Der Brite Carl Hester, bei seinen 13. Europameisterschaften, lieferte im Sattel von Fame eine Runde, die in Präzision kaum zu übertreffen war. Der 15-jährige Wallach ist kein Bewegungswunder, was Hester jedoch mit größtem Feingefühl, maximaler Präzision und Balance wettmachte. Das Resultat: starke 76 Prozent für das britische Team.
Doch auch das deutsche Team hatte mit Isabell Werth eine ebenso routinierte Schlussreiterin. Und sie lieferte: Im Sattel von Wendy de Fontaine zeigte sie eine starke Runde. Die elfjährige Stute ist Werths zehntes Pferd, das sie bei einer Europameisterschaft vorstellt. Highlights der Prüfung waren die gut durch den Körper abfußenden Piaffen und Passagen. Bis auf einen knapp durchgesprungenen Wechsel in den Zweierwechseln gelang dem Paar eine technisch sichere Vorstellung. Wenn man überhaupt etwas kritisieren wollte, dann, dass sich die Stute in der Anlehnung noch leichter und in der Galopptour noch etwas losgelassener und selbstverständlicher hätte zeigen dürfen. Doch das war Meckern auf höchstem Niveau – am Ende erzielte das Duo mit 79,2 Prozent das zweitbeste Ergebnis aller Teilnehmer. Nach dieser Runde durfte man fast schon über Gold jubeln – doch der Krimi ging weiter. Denn die Briten hatten noch eine Trumpfkarte: Charlotte Fry mit Glamourdale. Für den Sieg hätten sie ein Ergebnis von mindestens 78 Prozent liefern müssen – ein Ergebnis, das für die Weltmeisterin grundsätzlich erreichbar schien. Doch das Schlüsselwort lautete: schien. Im Mannschafts-Grand Prix präsentierte sich der 14-jährige KWPN-Hengst nicht ganz zufrieden – beinahe übermotiviert. Besonders in der Galopptour war das Motto „Weniger ist mehr“ angebracht. Ein Umspringen in der ersten Galopppirouette sowie nach dem Angaloppieren aus der Passage waren grobe Fehler, hinzu kamen heute ungleichmäßig abfußende Piaffen. Am Ende stand ein Ergebnis von 75,8 Prozent zu Buche.
Damit war es offiziell: Gold geht an Deutschland, gefolgt von England und Dänemark.
Traumrunden
Apropos Dänemark: Das beste Ergebnis aller Reiter lieferte die Dänin Cathrine Laudrup-Dufour mit Mount St. John Freestyle. Mit der 16-jährigen Stute zeigte sie eine Traumrunde voller Harmonie und Leichtigkeit – ohne jegliche technische Patzer. In dieser besonderen Vorstellung bestachen vor allem die gleichmäßigen, hoch abfußenden Piaffen und Passagen, die schnurgeraden Serienwechsel sowie die kleinsten Galopppirouetten. Dabei präsentierte sich die Stute stets in einem exzellenten Seitenbild – das wurde mit 80,8 Prozent belohnt.
Doch sie waren nicht das einzige Paar, das mit einer solchen Traumrunde glänzen konnte. Auch der Belgier Justin Verboomen verzauberte erneut – nach seinen Siegen beim diesjährigen CHIO Aachen – mit dem neunjährigen Hengst Zonik Plus. Wieder einmal beeindruckte, mit welcher Selbstsicherheit und Zufriedenheit sich der Hengst trotz seines noch jungen Alters durch den Grand Prix "schnurrte". Eine vorbildliche Anlehnung, Piaffen, wie sie kaum zentrierter und taktsicherer sein könnten, fließende Übergänge und kleinste Galopppirouetten mit allerhöchster Lastaufnahme prägten das Bild. Eine leichte Irritation beim Rückwärtsrichten sowie eine kurze Unterbrechung in den Einerwechseln verhinderten ein noch höheres Ergebnis, doch 79 Prozent standen am Ende auf der Tafel.
Schon im Mannschafts-Grand Prix gab es zahlreiche Gänsehautmomente. Das Feld der Top Ten liegt eng beieinander – und im morgigen Grand Prix Special, der ersten Einzelentscheidung, wird voraussichtlich die Tagesform über die Medaillenvergabe entscheiden.