EM Dressur: Justin Verboomen ist Europameister
Die Sensation ist perfekt: Newcomer Justin Verboomen behält die Nerven und krönt sich mit seinem erst neunjährigen Hengst Zonik Plus bei den Europameisterschaften im französischen Crozet zum Europameister.
Leichtigkeit und Harmonie
Es hatte sich bereits in den vergangenen Monaten und spätestens beim CHIO Aachen angekündigt: Der Belgier Justin Verboomen und sein bildhübscher Hengst Zonik Plus sind eine der neuen „Stars“ am Dressurhimmel. Sie vermitteln genau das, was gesehen werden möchte – oder besser gesagt, was erstrebenswert ist: Harmonie und Leichtigkeit in Perfektion. Es ist immer wieder beeindruckend, in welcher Selbstverständlichkeit der neunjährige Zonik-Nachkomme mit den Lektionen „spielt“ und in welcher Ruhe ihn Justin Verboomen „unterstützt“. Denn man darf nicht vergessen: Nicht nur der Hengst verfügt auf solch großem Parkett über kaum Erfahrung. Für seinen Reiter gilt das Gleiche. „Es ist das erste Championat für mich. Ich habe Schwierigkeiten, damit umzugehen, aber wir werden lernen“, gestand Justin Verboomen selbstkritisch.
Im Grand Prix Special der Europameisterschaften punkteten die beiden unter anderem mit sehr gleichmäßigen Passagen, unheimlich fließenden Übergängen, ausdrucksvollen Trabtraversalen und kleinsten Galopp-Pirouetten, die auch in puncto Lastaufnahme kaum zu übertreffen sind. Natürlich schimmert hier und da das noch junge Alter des Hengstes durch. So gelangen die Serienwechsel zwar fehlerfrei, aber noch nicht ganz spannungsfrei. Die Piaffen zeigten sich im Grand Prix Special sehr aktiv abfußend, teilweise aber mit minimaler Spannung im Hinterbein. Alles in allem war das jedoch wahrlich eine Traumvorstellung und ließ nicht nur beim Reiter selbst etliche Gänsehautmomente entstehen. 82,3 Prozent und Gold für Justin Verboomen und Zonik Plus lautete das Ergebnis. Damit wurde nach 40 Jahren und nach Dr. Reiner Klimke wieder ein Mann Einzel-Europameister. „Heute war es ein bisschen schwieriger als gestern, aber Zonik Plus lässt mich nie im Stich. Ich habe versucht, ihn so gut wie möglich zu unterstützen. Ich denke, dass es mit neun Jahren unglaublich ist, was er mir anbietet. Was das Entspannungslevel angeht, gibt es noch Luft nach oben, aber ich bin sehr stolz auf ihn“, resümierte der bescheidene Belgier. Justin Verboomen ist eben in mehrfacher Hinsicht ein echtes Vorbild. Ja, dieses Paar ist vielleicht genau das, was der Dressursport im Moment benötigt.
Die ewige Zweite
Bereits nach dem Team-Grand-Prix war klar, dass sich auf den Medaillenrängen ein heißer Kampf zwischen Cathrine Laudrup-Dufour, Justin Verboomen und Isabell Werth abspielen würde. Erstere brillierte im Sattel ihrer Hannoveraner Stute Mount St. John aus baden-württembergischer Zucht (Züchter: Stephan Kurz, Zöbingen) genauso wie das belgische Paar mit beeindruckender Harmonie und Leichtigkeit bei stets bestem Seitenbild. Bereits nach der Hälfte der Trabtour wollte man nicht in der Rolle der sieben Richter stecken und zwischen den beiden „entscheiden“. Die 16-jährige Stute punktete in der Trabtour besonders mit aktiv abfußenden und geschlossenen Passagen. Hinzu kamen gleichmäßige Piaffen sowie im Galopp gut zentrierte Galopp-Pirouetten. Doch dann kam das kleine Aber, das letztendlich über Gold entschied: eine große Unterbrechung in den ersten Einerwechseln. So musste sich Cathrine Laudrup-Dufour mit 81,6 Prozent erneut mit Silber zufrieden geben. Die Dänin hätte Gold wahrlich auch mal verdient.
Ein beeindruckendes Personal Best
Hinter Verboomen und Laudrup-Dufour folgte die geballte deutsche Kraft. Championats-Debütantin Katharina Hemmer hatte mit Denoix PCH vor dem letzten Viertel der Prüfung eine beeindruckende Messlatte gelegt und durfte sich sogar über ein neues Personal Best von 78,6 Prozent freuen. „Das war unser Personal Best. Und nicht nur die Punkte, sondern auch das Gefühl war Personal Best“, freute sich Katharina Hemmer. Von der ersten Sekunde an präsentierte sich Denoix total energisch, dynamisch und fokussiert. Ein technisch fehlerfreier Ritt, bei dem es auch sonst nicht viel zu meckern gab. Dynamische Piaffen und Passagen, weit kreuzende Trabtraversalen, eine feine Anlehnung, sicher nach vorne gesprungene Serienwechsel. Vielleicht hätte sich der Durchsprung in den Galopp-Pirouetten noch besser zeigen dürfen, aber das war wahrlich Meckern auf allerhöchstem Niveau. Katharina Hemmer und Denoix waren über sich hinausgewachsen und hätten eine Medaille wahrlich verdient. Schlussendlich wurde es für die beiden der undankbare vierte Platz.
So schob sich Teamkollegin Isabell Werth mit Wendy de Fontaine und 79 Prozent knapp an den beiden auf den Bronzerang vorbei. Auch Werth und die elfjährige Stute hatten im Vergleich zum Team-Grand-Prix eine gewaltige Schippe oben drauf gelegt. So präsentierte sich die Stute in der Anlehnung nachgiebiger und auch insgesamt geschlossener. Highlights bildeten einmal mehr die Piaffen und Passagen. Teuer wurde es in den Einerwechseln. In beiden Einerwechsel-Touren zeigte sich ein in der Hinterhand gleichzeitig gesprungener Galoppwechsel. Damit konnten die beiden im Ergebnis dem Spitzenduo auch nicht „näher rücken“, oder wie es Isabell Werth selbst erläuterte: „Ich bin echt zufrieden, auch wenn man es mir vielleicht nicht glauben mag, dass ich mal mit dem dritten Platz zufrieden bin statt mit dem ersten – weil ich genau weiß, wo wir im Moment stehen und dass ich da einfach noch ein bisschen Kraft und Erfahrung brauche.“
Auch Frederic Wandres und Bluetooth OLD sowie Ingrid Klimke mit Vayroon legten im Grand Prix Special eine Schippe oben drauf. Der gebürtige Baden-Württemberger reihte sich mit 75,9 Prozent auf dem starken siebten Platz ein.